Hallo. Ich bin’s. Und ich bin nicht tot.
Dieses Album, das zweite des Hamburgers Flo Fernandez, beginnt mit driftenden Gitarren, mit einem kleinen hämischen Lachen, mit sanft hinüber wehendem Background-Gesang und einem Sound, der Country und Pop, Elbstrand und Wüstensand mit ein wenig Sternenstaub vermengt. Und so ein Start, der ist schon mal ziemlich großartig. Denn die Musik zu Beginn verspricht, was der – sparsam gesetzte – Text im Laufe der Platte hält: Hier werden Geschichten angedeutet. Und hier bleiben gekonnt Lücken stehen, aus denen der Hörer nicht schlau wird, die er selbst füllen, weiterspinnen darf.
Der Sänger, Gitarrist und Keyboarder Flo Fernandez ist nicht allein bei diesem Andeutungsspiel. Ihn begleiten Johanna Laute (Bass), Marco Stubbemann (Schlagzeug) und Florian Dürrmann (Steel-Gitarre).
Ein französischer Titel klammert die neun neuen Songs, die instrumental, auf Deutsch und/oder Englisch, solo oder im Duett daherkommen: „La pomme d’enfer“, der Höllenapfel. Und auf dem Cover ist der Musiker entsprechend abgebildet, zum Cartoon-Charakter stilisiert, mit der roten Frucht anspielungsreich auf dem Kopf, wie er von Pfeilen attackiert, aber nicht berührt wird. Den Hörer aber werden sie treffen. Denn zwar gluckert es mitunter elektronisch auf der Platte. Und die Gitarre schrubbt schräg. Doch der Sound verfrickelt sich nicht. Und obwohl Flo Fernandez Vokabeln wie „Fool“ und „Pain“, die Idiotie und der Schmerz näher scheinen als Glücksformeln, treibt die Songs ein beschwingter Pop-Appeal voran. Mitunter in den Freestyle ausbüchsende Stücke tragen da Namen mit Schalk im Nacken, heißen „Let’s Fetz“ oder „Rethem Is A Dancer“. Biographische Einsprengsel, ehrlich, fast unschuldig klingende Sätze sind eingebettet in lässige, hippieske Arrangements, die aber nie zu stringent wirken. „Heisser Scheiß“ nennt Hamburgs Szene-Intimus Ale Dumbsky das. Stimmt.
bir (abendblatt.de)
“Hallo. Ich bin’s. Und ich bin nicht tot. Aber das weißt du ja, du liest ja Zeitung.”
Flo Fernandez wurde in den letzten Jahren oft gefragt, wann die neue Platte kommt. Zurecht, könnte man meinen, erzählte sein Debut-Album “Prärie D’Amour” im Jahre 2003 von eben jenem Kitsch, den wir zum Atmen brauchen: Liebe, große Gefühle und übelste Enttäuschung. Vertonte Menschen in ihren Beziehungen, für die Hamburg ein Meer von Gefühlen ist, in dem man täglich baden geht oder zu ertrinken droht.
Johanna Laute, Florian Dürrmann, Marco Stubbemann und Flo Fernandez haben ihren Freischwimmer im Großstadtpool gemacht und unternehmen seither Tauchexpeditionen zwischen Oberfläche und Hölle.
Das neue Album “La Pomme D’Enfer” (Dian) glaubt beständig an wundervoll versponnene Zwischenmenschlichkeiten. Die Protagonisten der Geschichten sind die älter gewordenen Slacker der Neunziger, die heute einen Apfel auf dem Kopf und die selbstgedrehte Fluppe im Mund durch die Hölle des Alltags balancieren.
Balance übt sich in Haltung und Zuversicht. In diesen Zutaten hat auch der Höllenapfel geschmort, bevor ihn die Fernandez-Combo ins Presswerk gebracht hat. “La Pomme D’Enfer” vereint musikalische Einflüsse von Captain Future bis Adriano Celentano und kullert noch mal bei Captain Beefheart vorbei, um Pavement einzusacken. Dann fehlen einem die Worte und Anleihen - und das Gehör liebäugelt mit dem, was Flo Fernandez seit Jahren zuversichtlich betreibt: das Eigene, das Unabhängige, das Ehrliche, das Besondere - das ganze Spektakel.
Marja Besirsky
Wäre Flo Fernandez ein Rapper, sagen wir mal aus Berlin, dann würde hier mindestens stehen, dass er „einen Scheiss auf die anderen gäbe“ und er „einfach sein Ding machen würde“.
Flo Fernandez ist allerdings kein Rapper, er ist ein Singer/Songwriter aus Hamburg, dessen bisherige Schritte von Zufällen und einem sehr eigenen Zeit-Verständnis geprägt sind. Das fängt schon mit seinem Künstlernamen an: der entstand genau vier Minuten vor einem Fernsehauftritt. Die Moderatorin wollte den Namen des Künstlers wissen, den sie gleich ankündigen würde... Das war 2001. Zwei Jahre später, nachdem sein Tape über einen Plattenladen zu einem Verleger gewandert war, veröffentlicht er sein Debüt Album „Prärie D'Amour“ auf dem Hamburger Dian Label. Zehn Songs die der Welt sagten, dass es einen Neuen in Indie-Hausen gibt, der kleine schöne Geschichten erzählt und Melodien drauf hat.
Sechs Jahre später besteht die Band um Flo Fernandez aus Florian Dürrmann, Marco Stubbemann und Johanna Laute, und es gilt das zweite Album zu verkünden. „La Pomme D‘Enfer“ fällt in eine Zeit, in der sich die musikalische Landschaft - insbesondere Indie-Hausen - einschneidend verändert hat: immer mehr Bands machen immer mehr Platten, die sich immer weniger verkaufen. Und „Indie“ definiert inzwischen alles Mögliche: Marketing, Frisuren, Kleidung... war da noch was?
Genau. Die Geschichten, die Melodien und auch so etwas wie eine Haltung. Nämlich die, Geschichten in tolle Songs zu stecken und sich nicht vom Rest der Welt irritieren zu lassen. Stoisch und - eben independent - so lange daran arbeiten bis es gut geworden ist.
„La Pomme D‘Enfer“ ist eine Platte, an der - gemeinsam mit dem Produzenten Udo Böckmann - ruhig und beständig gearbeitet wurde, bis sie so weit war. Dadurch fällt sie zwar aus der Zeit in der sie veröffentlicht wird, ist aber um so besonderer.
Ale Dumbsky